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Fotoreise Grönland

Die Szene scheint einem Traum zu entstammen: das Flugzeug setzt zur Landung an, schwebt einige Meter über der Landebahn und  startet dann mit vollem Schub wieder Richtung Himmel.

Aber es ist kein Traum, sondern Realität auf unserem Anflug nach Grönland. Widrige Wind – und Sichtverhältnisse haben den Piloten kurzentschlossen zu dem ungewöhnlichen Manöver bewegt. Wir Gäste in dem Großraum-Flugzeug schweben zwischen Enttäuschung und Dankbarkeit, dass der Flugkapitän die sichere Variante gewählt hat, um eine drohende Katastrophe zu vermeiden.
 
Also geht es nach viereinhalb Stunden Flug mit Tank-Zwischenlandung in Island zurück nach Kopenhagen. Danach Stress bei der Vergabe von Hotelzimmern für die bevorstehende Nacht.
 
Geduld und Ausdauer gefragt
Am nächsten Tag – es fühlt sich an wie im Film „Und ewig grüßt das Murmeltier“ – das gleiche Prozedere nochmals. Schlangestehen beim Einchecken und vor der Sicherheitskontrolle. Geduld ist gefragt und Ausdauer.
 
Beim zweiten Anflug gibt es an Bord einen medizinischen Notfall. Dann landen wir endlich in Kangerlussuaq, einem von zwei internationalen Flughäfen auf der größten Insel der Welt. Durch die Flugänderungen ist auch unser ursprüngliches Programm ins Straucheln geraten; denn wir finden uns in einem Allrad-Bus wieder mit 30 anderen Reisenden auf dem Weg zum Icecab, wo die Eismassen Grönlands auf Land treffen.
 
Geduld, Toleranz und Freundlichkeit werden arg auf die Folter gespannt und führen bei dem einen und anderen zu mittelschweren cholerischen Anfällen. Die Flugverzögerungen zum Weiterflug nach Ilulisssat am nächsten Tag sind die letzte Probe auf dieser ungewöhnlichen Anreise nach Grönland, die ich nun schon gefühlte 30 Mal hinter mir habe aber noch nie einen so queren Verlauf erleben musste.
 
Freien Blick auf den Eisfjord
Mit unserer Ankunft im Hotel „Arctic“ wende sich das Blatt. Aus unseren Fenstern haben wir freien Blick auf den kleinen, malerischen Ort und den Ausgang des 80 Kilometer langen Eisfjordes, an dem riesige Eisberge stranden und den Weg versperren für die nachschiebenden Eismassen auf dem Weg in die Disco-Bucht und weiter in den Nordatlantik.
 
Am nächsten Morgen starten wir per Boot zu dem Fischerdorf Rodebay. Die flotte Fahrt führt uns vorbei an blanken Felsen und mächtigen Eisbergen. Unweit des Bootes tauchen – im wahrsten Sinne des Wortes – plötzlich zwei Wale auf. Mächtige Tiere, die uns ihren Blas zeigen und ihre kräftigen Flossen, mit denen sie uns zuzuwinken scheinen. Jetzt heißt es schnell reagieren, um das Schauspiel im Bild festzuhalten. Zum Abschluss zeigen sie uns ihr artistischen Können mit einem wuchtigen Sprung aus dem Wasser. Was für ein Erlebnis!
 
Rodebay verzaubert uns danach mit seinen bunten Holzhäusern vor einer weiten Eisbergfassade. Die Freude ist groß über diesen Anblick und es fällt die Last der vergangenen Tage ab, die uns viel abverlangt hat. Jetzt spätestens sind wir in dem Grönland, in dem Naturparadies angekommen, das sich alle ersehnt hatten.
 
Nach einer deftigen Mahlzeit in dem urigen kleinen Restaurant „H8“ geht es auf dem Wasser zurück in den  malerischen Hafen von Ilulissat und in unser Hotel, das zu den besten auf ganz Grönland gehört.
 
Taufe mit bunten Trachten
Am nächsten Tag schlendern wir in Fotografen-Tempo durch Ilulisssat und werden Zeugen einer Kindstaufe in der malerischen Holzkirche nahe dem Wasser. Frauen und Männer tragen die traditionellen Kleider der Inuit. Die Männer schlicht in weißen Kapuzen-Pullovern, die Frauen dagegen in ihren bunten, mit Glasperlen besetzten Trachten.
 
Über steile Holztreppen und enge Straßen „hangeln“ wir uns von Motiv zu Motiv. Und derer gibt es hier in Hülle und Fülle. Zum Beispiel die Grönlandhunde auf weiten Grasfeldern. Angekettet die ausgewachsenen Tiere und und der in Knäuel verspielte Nachwuchs, der sich noch frei bewegen darf. Das Heulen der kräftigen Tiere weist darauf hin, dass sie mehr Wölfe als Hunde sind. Jetzt im Sommer langweilen sie sich und sehnen sich in den langen Sommer-Sonnen-Tagen nach dem Winter, wenn sie wieder vor die Schlitten gespannt werden und kraftvoll durch Schnee und über Eis rennen.
 
Bunte Holzhäuser
Die kleinen Holzhäuser sind auffallend bunt und bilden einen krassen Kontrast zu den mächtigen Eisbergen des Fjordes und den kahlen, dunklen Felsen. Am Ortsrand sind neue Mehrfamilienhäuser entstanden, in die Grönländer eingezogen sind, die bisher in weit entlegenen kleinen Fangorten lebten. Sie medizinisch, schulisch und mit Nahrungsmitteln zu versorgen, ist bei den weiten straßenlosen Entfernungen der riesigen Inseln eine logistisch und finanziell enorme Anstrengung. 
 
Auch diese Wohnblocks sind bunt angemalt und versprühen Lebensfreude und Vielfalt. Vor einigen Fenstern hängen Felle zum Trocknen, Kinder spielen zwischen den Häusern mit Bällen oder üben sich mit ihren Mountainbikes in Artistik.
 
Die Menschen sind freundlich, fast alle grüßen uns „Langnasen“ mit einem schüchternen, freundlichen Lächeln. Ab und an begegnen uns Autos, die nur innerhalb des Ortes gefahren werden können, weil Grönlands Städte und Dörfer nicht mit Straßen verbunden sind.
 
Zum Abschluss unseres Rundganges versorgen wir uns im Supermarkt, der ein überraschend großes Angebot bereit hält, bedenkt man, dass außer Fisch, Meeresfrüchten und Moschusochsen- und Rentierfleisch alles per Flugzeug und Schiff angeliefert werden muss. Das gilt auch für Baumaterial und Maschinen. Jedes Brett, jede Schraube und jedes Möbelstück kommt über See oder durch die Luft auf die Insel.
 
Perfekter Blich auf Eismassen
Nach einer Pause starten wir zu einer Wanderung nach Sermeriut, einem hoch über dem Eisfjord legenden Aussichtspunkt, der uns einen perfekten Blick auf die Eismassen des Fjordes gewährt. Die Stille wird nur unterbrochen vom Knistern, Knacken und Grollen der sich bewegenden Eisgiganten. Die Ausmaße des Eisfjordes sind mächtig. Er ist viele Kilometer breit und rund 70 Kilometer lang, bevor er seine weiße, mächtige Fracht in die Discobucht entlässt.
 
Gespeist wird der Fjord vor allem vom Gletscher Sermeq Kujalleq, einem der aktivsten Gletscher der Erde. Für das menschliche Auge bewegt sich der Eisfluss nicht, da er nur 19 Meter pro Tag zurücklegt. Jeden Tag kalben rund 70 Millionen Tonnen Eis am Gletscher, dessen Abbruchkante rund 700 Meter beträgt, von denen nur 80 Meter über der Wasseroberfläche sichtbar sind. Die jährliche „produzierte“ Eismenge beträgt etwa 40 Kubikkilometer.
 
Von der Gletscherkante bis zur Discobucht brauchen die Eisberge über ein Jahr. Kurz vor der Mündung stranden sie an einer Untiefe von gut 200 Metern und sorgen so für den gewaltigen Rückstau. Dies wiederum führt zu dieser einzigartigen Kulisse, die es in dieser Pracht wohl nur einmal auf der Erde gibt.
 
Man geht davon aus, dass im Jahr 1912 die „Titanic“ mit einem Eisberg kollidierte und unterging, der seine „Geburt“ im Ilulissat Icefjord hatte.
 
Jeder Eisberg hat seine eigene Form
Beim Anblick dieses Schauspieles ist jedermann von Ehrfurcht erfüllt ob des gigantischen Ausmaßes dieser Erscheinung. Für uns Fotografen ist es zudem ein Schauplatz mit vielfältigen Motiven. So hat jeder Eisberg seine eigene Form und es gibt wie beim menschlichen Fingerabdruck keine zwei identischen Gebilde.
 
Als wir am nächsten Abend mit einem kleinen Boot an der Mündung des Fjordes zwischen den Eisbergriesen unterwegs sind, bieten sich neue fotografischen Perspektiven bei spannendem, diffusen Licht. Und wieder bekommen wir Wale vor unsere Kameras. Ein ereignisreicher Tag mit tiefen Eindrücken, der uns für die anfänglichen Strapazen entschädigt.
 
Tags darauf wandern wir von der Mündung des Fjordes mehrere Kilometer entlang über Felsen und markierte Wege. Nun haben wir eine weiteren, neuen Blickwinkel auf die Eimassen im Fjord und werden Schritt für Schritt mit neuen Motiven belohnt.
 
Noch einmal geht es dann am nächsten Tag per Boot zu einem „Bilderbuch“-Gletscher. Der Eqi liegt „blank“ vor uns als der grönländische Bootsführer sein Gefährt vor der Abbruchkante treiben lässt. Wer jetzt schnell ist mit seiner Kamera, bekommt einen der donnernden Eisabbrüche auf den Sensor mit anschließender Flutwelle. 
 
Die Fahrt so nah an den Gletscher ist im Gegensatz zum Ilulissat Gletscher möglich, weil keine Barriere in der Bucht das Abfließen der Eisgiganten behindert. 
 
Eisberg „explodiert“
Bei der Rückfahrt lenkt der junge Grönländer sein Boot an einen Wasserfall, der sich direkt ins Meer ergießt. Ein junge Grönländerin beugt sich über den Bug des Boots und füllt Becher mit dem köstlichen, frischen Wasser, die sie an die Gäste weiterreicht.
 
Auch auf dieser Fahrt bereichern einige Walte die bezaubernde Kulisse. Wir müssen genauso flink sein Mut der Kamera wie danach als ein riesiger Eisberg zu explodieren scheint und eine gewaltige Menge dem Meer freigibt. Die Flutwelle ist gewaltig und unser Erstaunen groß…
 
Am Ende der Reise sind wir angefüllt mit starken Eindrücken aller Sinne. Schon beim Abschied wächst die Sehnsucht, wieder hierher zu kommen in diese ursprüngliche Natur.
 
Wir atmen noch einmal die „seidenweiche“ Luft und genießen den weiten, unterverstellten Blick, bevor es zurück geht in unseren Alltag, indem wir uns oft zurücksehnen werden nach diesem wundervollen Ort.